Die Portraits

«Was ist eine richtige Bäuerin?»

Barbara Stuber aus Biberist SO hat mit dem Landwirt gleich einen ganzen Bauernhof mitgeheiratet. Was das bedeuten würde, wusste sie als 23-Jährige nicht.

«Mein Geschäft begann mit einem geschnitzten Modelherz. Mein Mann hatte mir das mal geschenkt. Das war die Initialzündung meiner Änis-Hofbäckerei. Diese betreibe ich nun seit 27 Jahren. Im Sommer jeweils wechsle ich auf die Produktion von Amaretti und Cantucci, für Änisbrötchen ist es dann zu warm.

Ich war 16 Jahre alt, als ich mit meinen Eltern und meinen drei jüngeren Geschwistern aus dem Kanton Aargau nach Biberist gezogen bin. In Solothurn habe ich die Ausbildung zur Lehrerin absolviert. Und mit 20 Jahren meinen Mann Urs kennengelernt. Seine Eltern führten das ‹Löchli›, den Bauernhof mitten im Dorf. 1993, ich war 23, haben wir geheiratet.

Nach der Hochzeit bin ich auf den Hof gezogen. Ausprobieren konnte ich das Leben als Bäuerin nicht. Heute bin ich froh darum. Hätte ich damals eine Ahnung gehabt, was das alles bedeuten würde, wäre ich als junge Frau vielleicht wieder gegangen. Ich konnte mir nicht vorstellen, was das Leben als Frau eines Landwirts heisst. Anfangs habe ich auf meinem Beruf gearbeitet. Später aber habe ich am Wallierhof die Ausbildung zur Bäuerin FA absolviert. Weil ich schlicht keine Ahnung vom Ganzen hatte. Dort lernte ich kochen, backen, gärtnern, nähen. Ernährungs- und Betriebslehre waren auch dabei. Und Buchhaltung.

Ich melke nicht und fahre nicht Traktor

Wir haben drei erwachsene Kindern. Seit acht Jahren nehme ich als Expertinschweizweit die Abschlussprüfungen der angehenden Bäuerinnen ab. Die Ausbildung boomt. Vermutlich wollen die Menschen ‹back to the roots›. Die Leute wollen wissen, woher die Nahrungsmittel kommen, das sehe ich auch bei meiner Kundschaft. Ich verkaufe nicht nur mein Gebäck, sondern auch, was Urs, mein Mann, produziert. Etwa Rind- und Schweinefleisch: Seit den Anfängen von BuuronTour bin ich beim Hauslieferabo für Nahrungsmittel aus der Region dabei. 100 Prozent des Preises geht an die Bauern, fairer und direkter kann man nicht einkaufen.

In der Zeit des Lockdowns ist die Nachfrage massiv angestiegen. Während wir an einem normalen Freitag vier bis sieben Taschen für das Depot im ‹Löchli› bereitstellen, waren es im März und April 2020 an die 30. Solche Zusammenarbei- ten sind bereichernd und ich würde mir mehr davon wünschen. Wenn wir die Synergien nutzen, können wir alle mehr produzieren und verkaufen. Das ‹Solothurner Gschänktruckli›, bestehend aus regionalen Produkten von mehreren Bauernfamilien, ist auch so ein Beispiel von Zusammenarbeit.

2018 habe ich den ehemaligen Schopf in eine geräumige Produktionsküche umbauen lassen. Kein Jahr später traf auch schon der erste Grossauftrag mit 600 Geschenktaschen ein, welche ich mit regionalen Produkten füllen konnte. Im Stall arbeite ich nicht. Ich melke nicht und fahre nicht Traktor. Meine Schwiegermutter hingegen tat das. Einmal hat mein Sohn als kleiner Bub zu mir gesagt, ich sei ja gar keine richtige Bäuerin wie die Grossmutter. Doch was ist eine richtige Bäuerin? Die Betriebsführung machen wir zusammen. Wir sind ein Team und gleichberechtigte Partner. Mein Geschäft aber ist eigenständig. (...)»

Aus: Vanessa Simili: Vom Eiergeld zur AHV, Bern 2022. Publikation hier erhältlich.