Die Portraits

«Meine Vision ist ein vielfältiger Betrieb»

Marlene Jaggi ist Landwirtin und sieht die Zukunft des elterlichen Hofs in Gossliwil, Buchegg SO, in einem vielfältigen, auf mehreren Standbeinen abgestützten Betrieb.

«Dass ich Landwirtin werden würde, war eigentlich schon immer klar. Ich wollte nie etwas anderes. Als dann die Berufswahl anstand, versuchten meine Eltern, mir andere Berufe schmackhaft zu machen. Vergebens. Von allen drei Geschwistern – ich habe eine ältere Schwester und einen älteren Bruder – war der Bezug zur Landwirtschaft bei mir am aus- geprägtesten. Vor allem zu den Tieren. Seit ich 12 Jahre alt bin, halte ich Schafe. Über den Sommer ist nur die Hälfte auf dem Hof, die andere Hälfte sömmert auf der Alp. Warum Schafe? Vielleicht habe ich das in den Genen. Mein Grossvater hielt schon Schafe. Als Kind bin ich mit meiner Mutter und meiner Grossmutter auf den Markt gefahren. Mit dem Verkauf von Goldmelissensirup habe ich mir übrigens das Geld für die Schafe verdient.

Die Idee wäre, dass ich den Hof in fünf, sechs Jahren übernehme. Bis dahin aber will ich noch reisen, andere Betriebe kennenlernen und auch dort mitarbeiten. Vielleicht lässt sich Reisen und Arbeiten sogar kombinieren. Dieses Jahr habe ich einen Sommer auf der Alp verbracht, im Bündnerland, zusammen mit vier Freunden. Wir haben Käse hergestellt, ich war viel im ‹Beizli› tätig. Das war eine schöne Erfahrung.

Als Frau muss man sich eher beweisen

Unseren 26 Hektaren grossen Betrieb leiten meine Eltern heute zusammen, der Hof aber mit dem 300-jährigen Bauernhaus gehört meinem Vater. Die bisherigen Generationen hier lebten vorwiegend von der Milchwirtschaft, dem Getreide- und Kartoffelanbau. Vor sechs Jahren haben wir auf die Mutterkuhhaltung umgestellt und die Kartoffeln durch Zuckermais ersetzt. Vier bis fünf Weiderinder pro Jahr gehen in die Direktvermarktung. Diese hat meine Mutter 30 Jahre lang aufgebaut und gepflegt. Vor allem hat sie im Holzofen Brot gebacken. Das lief gut. Diese Direktvermarktung möchte ich wieder aufnehmen und ausbauen, vielleicht sogar mit einem Hofladen. Wenn ich als erste Frau überhaupt diesen Betrieb leite, habe ich schon den Ansporn, zu zeigen, dass es auch funktioniert. Denn als Frau wird man oft kritischer beäugt, man muss sich eher beweisen. Als Mann ist es einfacher, scheint mir, die Dinge sind selbstverständlicher. (...)»

Aus: Vanessa Simili: Vom Eiergeld zur AHV, Bern 2022. Publikation hier erhältlich.