Die Portraits

«Ich helfe dort mit, wo es Hilfe braucht»

Katja Waldmeier sorgt genauso herzlich für den Rebberg mitten im «Chläggi», in der Kornkammer des Kantons Schaffhausen, wie für das leibliche Wohl ihrer Gäste.

«Besenbeiz heute offen», verkündet die Tafel beim Dorfplatz in Trasadingen. Katja Waldmeier ist gewappnet für ihre Gäste. Als ausgebildete Köchin freut sie sich, wenn sie zu ihren Künsten greifen kann. Und das kann sie, seit sie von März bis Dezember jeweils die Beiz führt. Was ihr dabei äusserst wichtig ist: «Ich verwende nur lokale Zutaten.» Auch ihre eigenen Produkte integriert sie gern: Traubenkernöl, Traubenkernmehl, Weingelee und Verjus.

Verjus? «Das ist der Saft aus Trauben, die man in einem unreifen Stadium erntet», ist zu erfahren. Wichtig sei der Zeitpunkt der Grünlese, damit der Verjus ein optimales Verhältnis von Süsse und Säure aufweise. Und was macht man damit? «Der Verjus galt bis ins 16. Jahrhundert als Säuerungsmittel schlechthin», weiss Katja Waldmeier. Die Zitrone habe ihn dann nach und nach abgelöst. 

«Agrest» wiederentdeckt

Seine heilsame Wirkung sei bereits in der Antike, vor rund 2500 Jahren, unter dem Namen «Agrest» bekannt gewesen. «Unter anderem als Verdauungshilfe nach fettreicher Speisen und als kühlendes, fiebersenkendes Mittel». Dieses alte Wissen bringt Katja Waldmeier mit ihren Produkten wieder auf den Tisch. Jedem der Fläschchen und Döschen legt sie eine Karte bei mit Wissenswertem, Hintergrundinfos oder gar einem Rezept. Beim Marketing unterstützt sie inzwischen eine Mitarbeitende.  

Unter den Fittichen der Schwiegermutter

Vor 23 Jahren ist sie, aufgewachsen im aargauischen Bremgarten, der Liebe wegen auf den landwirtschaftlichen Betrieb an der nördlichsten Grenze der Schweiz gezogen. «Meine Schwiegermutter nahm mich unter ihre Fittiche, sie hat mich beispielsweise im Dorf vorgestellt. Das war eine grosse Hilfe, um hier anzukommen.» 

Ihr Mann Christian, Winzer und Weintechnologe mit Meistertitel, war im elterlichen Rebberg tätig und auf dem Weg, den Betrieb seines Vaters zu übernehmen. Als seine Mutter 2004 starb, übernahm das Paar den Betrieb komplett. «Das war eine schwierige Zeit, wir haben den Betrieb umgebaut, während die Kinder ganz klein waren.» Heute betreibt die Familie Waldmeier auf inzwischen rund 6,5 Hektar Weinbau.

«Sie müssen nicht. Sie dürfen.» 

Katja Waldmeier und ihr Mann haben einen Sohn und eine Tochter. Letztere hat vor zwei Jahren mit der Ausbildung zur Winzerin angefangen. Dass sie in die Fussstapfen ihrer Eltern steigen wird, scheint offensichtlich. «Es ist mir ein ganz wichtiger Punkt, dass die Kinder unseren Betrieb nicht übernehmen müssen. Sie dürfen. Wenn sie damit glücklich sind, dann ist das okay.» 

Katja Waldmeier nimmt kein Blatt vor den Mund: Der Generationenkonflikt auf einem Bauernbetrieb sei generell ein grosses Thema. Ihr Schwiegervater, der in den 90er Jahren mit dem Rebbau begonnen hat, habe sich vom Betrieb nun ein bisschen abnabeln können, er arbeite aber bis heute gern mit. 

Trinken oder degustieren? 

Von Anfang an half Katja Waldmeier dort mit, wo es ihrer Hilfe bedarf. Bei der Arbeit im Rebberg, auch mal beim Hefe anrühren, «nur beim Weinmachen nicht», sie sagt. «Davon lass ich die Finger.» Beim Degustieren aber ist sie wieder mit dabei. «Das hat mir Christian beigebracht.» Später habe sie auch Sensorikkurse gemacht und inzwischen freue sie sich, wenn sie mit ihren erwachsenen Kindern im Ausland ein Glas Wein geniessen kann. Mit diesem Know-How ist das verständlicherweise eine ganz andere Nummer.

Schlafen im Eichenfass 

«Der Betrieb beinhaltet drei Komplexe», erläutert sie im lauschigen Garten: Der Weinkeller, die Reben und das «Hotel». Damit sind vier riesige Eichenfässer mit je sechs Schlafplätzen gemeint, die seit dem Jahr 2000 bei Waldmeiers stehen und gelegentlich zur Schlafstätte von müden Velofahrerinnen und Wanderern werden. Das sogenannte Fasshotel laufe gut, besonders Gruppen fragen danach. «Zusammen mit einem benachbarten Betrieb können wir eine Übernachtungsmöglichkeit für bis zu 40 Personen anbieten.» Ein Hotpot bietet Wellness im Freien, als Waschmöglichkeit stehen Duschräume resp. moderne Sanitärräume zur Verfügung. 

Fotos in diesem Portrait: SBV

«Ich liebe mein Team über alles.»

Dass die Arbeit auf dem Betrieb während der Hochsaison nicht alleinbewältigt werden kann, erklärt sich von selbst. Ein Team von mehrheitlich pensionierten Personen aus der Umgebung arbeitet regelmässig mit. «Ich liebe mein Team über alles», sagt Katja Waldmeier mit ihrer erfrischenden Art. Es sei verlässlich, hilfsbereit und mit Freude bei der Arbeit. «An ganz heissen Tagen starten wir bereits um 06 Uhr.»