Die Portraits

«Eine Cashcow bleibt nicht immer eine Cashcow»

Miriam Schluep ist Bäuerin und IT-Ingenieurin mit eigenem Geschäft. Dass sie statt ihres Bruders den elterlichen Hof in Schnottwil SO mal übernehmen würde, war so nicht vorgesehen.

«Dass ich und nicht mein älterer Bruder eines Tages den elterlichen Hof übernehmen würde, war nicht von Anfang an klar. Vor sieben Jahren, nach vielen Gesprächen, hat mir mein Vater den Betrieb mit 22,5 Hektaren Land überschrieben. Mein Bruder ist inzwischen ausserhalb der Landwirtschaft tätig. Der Hof gehört mir, mein Ehemann leitet aber als Landwirt EFZ in Biolandbau den Betrieb. Eine Weitergabe in der Blutlinie hat schliesslich auch mit dem bäuerlichen Bodenrecht zu tun, das die Höfe vor Spekulation und Zerstückelung bewahren soll.

Als ausgebildete IT-Ingenieurin betreibe ich ein eigenes IT-Unternehmen in Bern. Mein Mann ist ebenfalls IT-Ingenieur. Kennengelernt haben wir uns im Studium. Inzwischen ist das 15 Jahre her. Gleich nach der Hofübernahme wohnten wir mit unseren beiden Kindern, elf und dreizehn Jahre alt, im Stöckli, während meine Eltern noch im grösseren Hochstudhaus mit Baujahr 1827 lebten. Vor zwei Jahren haben wir getauscht.

Nützlinge statt Pestizid

Dies ist nicht die einzige Veränderung auf dem traditionsreichen Hof
– bereits mein Grossvater bewirtschaftete ihn. Wir sind heute ein zertifizierter Biobetrieb. Und das aus Überzeugung. Das Kernstück der Produktion ist die volleingenetzte Himbeerplantage. Es war die erste ihrer Art im Kanton. Wenn wir nicht investiert hätten, hätten wir den Betrieb im Nebenerwerb führen müssen. Er hätte nicht genug abgeworfen, um daraus einen ausreichenden Erwerb für uns als Familie zu generieren.

Volleingenetzt heisst, dass die biologischen Himbeeren gegen die Kirschessigfliege und andere Schädlinge geschützt werden. Anstelle von Pestiziden werden zu deren Bekämpfung Nützlinge eingesetzt. Ein Wandertunnel ist kürzlich hinzu gekommen. Wie der Name sagt, ist das ein beweglicher Tunnel. Durch den Standortwechsel kann die Saison verfrüht und Krankheiten können eingedämmt werden. Die Himbeere ist nämlich eine sensible Pflanze. Ein Regendach erhöht weiter die Qualität der Beere. Unsere Himbeeren sind eine Woche im Kühlschrank haltbar, weil die Feuchtigkeit ihnen nicht zusetzt. Der Geschmack erst – der ist unverkennbar.

Dass jemand von uns auswärts arbeitet, ist auch eine finanzielle Entscheidung gewesen. Zudem brauche ich die Abwechslung, die meine Firma mir bietet. Dennoch will ich wissen, was auf dem Betrieb läuft. Schliesslich habe ich eine Verantwortung. Aber ich bin nicht im Stall. Das ist das Arbeitsfeld meines Ehemanns. Dort versuche ich ihm nicht zu viel reinzureden. Zu meinem Bereich gehören die Löhne und und Buchhaltung. Ich übernehme in gewisser Weise das buchhalterische Controlling. Einander sind wir Sparrings-Partner: Wir sind ein gutes Team, um gemeinsam Dinge aufzuziehen. Eigentlich ist ein landwirtschaftlicher Betrieb heutzutage vergleichbar mit einer Unternehmung.

Wir haben Kühe, zwei Ponys, ein Pensionspferd, sechs Hühner und Laufenten. Die helfen uns in der Plantage gegen die Schnecken. Wir suchen nach neuen Wegen und probieren auch mal etwas aus. Dabei kann es passieren, dass etwas nicht auf Anhieb klappt. Unser Urdinkel hatte am Anfang einen Pilz. Da hat man sich schon fast ein bisschen mokiert. Jetzt aber gedeiht er. Wir wollen mehrere Standbeine aufbauen, denn der Markt verändert sich stetig. Eine Cashcow bleibt nicht immer eine Cashcow. (...)»

Aus: Vanessa Simili: Vom Eiergeld zur AHV, Bern 2022. Publikation hier erhältlich.