Die Portraits

«Die Zeit heute ist eine andere»

Rosmarie von Allmen aus Messen SO war viele Jahre als Prüfungsexpertin für den Beruf Bäuerin tätig. Dass sie immer ein Bein ausserhalb des eigenen Hofs hatte, war ihr wichtig. Mit ihren Enkeln holt sie nach, was sie bei ihre eigenen Kindern versäumt hat.

«Was ich in meiner Ausbildung als Hauswirtschaftslehrerin gelernt habe, kann ich erst jetzt, als Grossmutter, richtig anwenden: Rüsten, Kochen, Einmachen, Backen. Bei meinen eigenen Kindern hatte ich kaum Zeit dafür. Umso mehr versuche ich jetzt das, was ich bei ihnen versäumt habe, an ihren Kindern wieder gutzumachen. Geboren bin ich 1946 in Utzenstorf. Meine Eltern waren Bauern. Als Bauerntochter war ich es gewohnt, bereits als Kind mitanzupacken. 1970 habe ich Heinz, einen Landwirt aus Solothurn, geheiratet. Heinz’ Eltern hatten einen Hof und Land in Solothurn, doch dort war keine Existenz für uns. So wohnten wir drei Jahre in Kirchlindach, bevor wir nach Messen zogen. Hier hatten meine Schwiegereltern 1973 den Hof an der Hauptstrasse gekauft, den wir von da an bewirtschafteten. Zwei Jahre später dann kam unser erster Sohn auf die Welt. Und mit jeweils zwei Jahren Abstand eine Tochter und ein weiterer Sohn. Mit dem Betrieb hatten wir auch einen Mitarbeiter übernommen. Er hatte gefragt, ob er hier bleiben dürfe und mithelfen, gegen Kost und Logis. So waren wir von Anfang an nie allein. Bald kamen regelmässig Lehrtöchter hinzu, die bei uns arbeiteten und wohnten. Insgesamt haben 17 junge Frauen bei mir das bäuerliche Haushaltlehrjahr absolviert. Am Tisch waren wir immer eine grosse Runde. Das Leben als Bäuerin, wie es damals in gewissem Sinne normal war, kannte ich von Zuhause. Dass ich in die Fussstapfen meiner Mutter treten würde, war früh klar. Es machte mir auch nichts aus. Im Gegenteil, es erfüllte mich.

Ein Bein ausserhalb des Hofs

Nach der Schulzeit hatte ich die Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin absolviert. 1979 folgte die Berufsprüfung Bäuerin mit Fachausweis. Über zehn Jahre lang habe ich als Expertin Prüfungen abgenommen. Meine spätere Arbeit als Präsidentin der Prüfungskommission Nordwestschweiz hat mich immer wieder für mehrere Tage weg vom Hof geführt. Das habe ich sehr geschätzt. Ich hatte ein Bein ausserhalb des Hofs und das war für mich gut. Die Aufgabenteilung, wie wir sie damals lebten, gehört inzwischen mehrheitlich der Vergangenheit an. Die Zeit heute ist eine andere. Ich erlebe es bei meinem jüngeren Sohn Markus, der 2006, ein paar Wochen vor dem Tod des Vaters, den Hof übernommen hat. Damit sind viele Veränderungen einher gegangen. Der 20 Hektaren grosse Betrieb hat inzwischen auf die biologische Produktion umgestellt, die Tiere werden heute in einer Tierhaltergemeinschaft betreut. Das heisst, zwei oder mehr Bauern teilen sich eine Tierhaltung und deren Ertrag. Statt dass jeder einen Kälberstall, eine Weide etc. hat, legen sie die Infrastruktur und die Ressourcen zusammen. Meine Schwiegertochter ist ausserhalb der Landwirtschaft berufstätig. Ich helfe als Gastgeberin und Chauffeuse, als ‹Hüeti und Chummirzhilf› aus. Im Bauerngarten, den ich früher für die Selbstversorgung bewirtschaftete, spielen heute meine Enkelkinder. Für den einen Sohn wasche und flicke ich die Arbeitskleidung, dem anderen Sohn bügle ich die Hemden fürs Büro. (...)»

*Aus: Vanessa Simili: Vom Eiergeld zur AHV, Bern 2022. Publikation hier erhältlich.